Cognitive Flexibility-Theorie
Was bedeutet Cognitive Flexibility-Theorie?
"Die Cognitive Flexibility-Theorie (Spiro; Jehng 1990) ist ein instruktionspsychologischer Ansatz aus der Expertiseforschung (Gruber; Mandl 1995). Die entscheidende Forderung dieser Theorie ist, insbesondere beim fortgeschrittenen Wissenserwerb in wenig strukturierten Gebieten Uebervereinfachungen zu vermeiden und den Lernenden statt dessen die realen Komplexitaeten und Irregularitaeten aufzuzeigen."
Diese Definition von Reinmann-Rothmeier und Mandl stellt die folgenden Merkmale heraus: 1. Wissenserwerb soll objektbezogen und multidirektional erfolgen. Das Problem soll zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Kontexten, mit veraenderten Zielsetzungen und aus verschiedenen Perspektiven praesentiert werden. 2. Als Lernobjekte eignen sich hierfuer am besten wenig strukturierte Gebiete, 'ill-structured domains'. Dem Computer kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu, denn er ist wie kein anderes Medium mit seinen multidimensionalen und nonlinearen Hypertexten geeignet, kognitive Flexibilitaet zu trainieren. 3. Zielgruppe fuer diese Art des Lernens koennen nur fortgeschrittene Lerner sein, die ueber ein bestimmtes Grundwissen verfuegen. 4. Erklaertes Lernziel ist es, die Lerner zu Experten zu machen. Nicolaus spricht vom "Weg zum Expertentum".
Nicolaus: "Cognitive Flexibility Theory encourages a broader way of learning that emphasizes the importance of context in flexible learning environments while enhancing the ability of the learner to learn, understand, retain, and adapt knowledge in ill-structured domains."
Wie funktioniert dieser Lernprozess?
Wissen soll nicht 'traege' bleiben. Wissen und Fertigkeiten, die schon vorhanden sind, sollen bei der Loesung komplexer Probleme aktiv genutzt werden. Im Verlauf der Problemloesung muss das Gelernte haeufig umstrukturiert und auf die neue Situation uebertragen, also flexibel eingesetzt werden. Dabei kommt ein neuer Lernprozess in Gang. Das Lernziel ist geistige Flexibilitaet. Die Komplexitaet des Problems spricht moeglichst viele Sinneskanaele an, das Wissen wird auf vielen Wegen im Gedaechtnis gesichert. Der intensive, interaktive Umgang mit neuen Informationen verlangt nachhaltige Verarbeitung, die dann auch ein laengeres Behalten bewirken soll.
Vereinfachung und Verallgemeinerung sollen bewusst vermieden werden. Hier wird kein vorgegebener Lehrstoff, dem ein Buch zu Grunde liegt, vermittelt. Komplexitaet, Heterogenitaet und Irregularitaet des Lehrstoffes sind charakteristisch fuer dieses Lernen. Man kann diese komplexen Probleme mit Landschaften vergleichen, 'criss crossing landscapes', wo man mehrere Perspektiven einnehmen muss, um alles sehen und damit die volle Komplexitaet erfassen zu koennen. Jede neue Perspektive laesst neue Aspekte und Details erkennen, die wichtig sind fuer die Loesung der Aufgabe.
Spiro und Jehng entwickelten ein spezielles hochflexibles Programm, das bei der Umsetzung der Theorie in die Praxis hilfreich sein sollte: 'Random Access Instruction'
Die Cognitve Flexibility-Theorie wurde bisher hauptsaechlich in naturwissenschaftlichen Bereichen wie Biologie, Medizin und Mathematik in die Praxis umgesetzt. Aber auch in geisteswissenschaftlichen Bereichen wie Geschichte und Literaturinterpretation hat sie Anwendung gefunden..
CFT kann im GI ab Ende der Grundstufe eingesetzt werden. Sie sollte als Ergänzung zum Unterricht fungieren. Mit Hilfe dieser Methode soll die Interpretation und der Umgang mit dem Material gelernt und schon vorhandenes Wissen erweitert werden. Praktische Anwendung der CFT im FSU ist für jeden Goethe-Lehrer im Prinzip nicht neu. Die Theorie hat als Kern folgenden Satz:A central claim of CFT is that revisiting the same material , at different Itemes, in rearranged contexts, for different purposes, and from different conceptual perspectives is essential for attaining the goals of advanced knowledge acquisition. Die Aussage ist nicht falsch, aber auch nicht neu..... Die alte Lehrerweisheit, dass Wiederholung mit anderen Beispielen und in anderer Form nützlich ist, ist jedem Kommunikationswissenschaftler unter dem Begriff Redundanz bekannt. (Rolf Schulmeister) Die Methode wird zum Teil schon eingesetzt, indem wir unsere KTN Märchen und Geschichten aus der Sicht unterschiedlicher Figuren erzählen lassen oder wenn wir unsere KTN neue Vokabeln nur im Kontext lernen lassen, weil die meisten Wörter mehrere, manchmal ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Die Methode wurde entwickelt, um den Einsatz der interaktiven Technologien (videodiscs, hypertext) zu unterstützen.
Ein Unterrichtsbeispiel
Als Beispiel für den Einsatz der Theorie im FSU möchte ich das Thema Ausländerfeindlichkeit nehmen. Das Thema würde ich mit Hilfe des Spielfilms Angst essen Seele auf von Fassbinder und aktueller Internetforen zum Thema Ausländerfeindlichkeit behandeln. Das Projekt ist für Mittelstufeklassen gedacht.
Unterrichtsablauf: Hinführung zum Thema, Aktivierung der Vorkenntnisse Assoziogramm zum Thema Ausländerfeindlichkeit den ganzen Film einmal zeigen Eindrücke erzählen lassen Themen (Perspektiven) wählen (unterschiedliche Intrepretationen des Filmes: aus der Sicht der Frau, des Ausländers Ali, seiner Freunde, seiner deutschen Exfreundin, der Nachbarinnen, der Arbeitskolleginnen, des Hausbesitzers, des Verkäufers usw.) Den Film in Sequenzen (Minicases) aufteilen. Den Inhalt jeder Sequenz aus unterschiedlichen Perspektiven interpretieren lassen ( GA, jede Gruppe beschreibt eine Perspektive) Man kann die Themen (Perspektiven) auswählen und das Programm stellt die Sequenzen zusammen, die für die ausgewählten Themen zutreffen. Zu jeder Sequenz gehört ein Text mit Interpretationen. Zusätzlich steht jedem KTN ein Menü zur Verfühgung, das ermöglicht, eine Neuorganisation der Themen vorzunehmen. Das Menü ermöglicht auch das selbständige Hinzufügen von Sequenzen, Themen und Interpretationen. Dadurch wird eine interaktive Form des Lernens geschaffen.
Recherche
Man kann auch eine Recherche aus unterschiedlichen Perspektiven (aus der Sicht eines Ausländers, eines in Deutschland lebenden Deutschen, eines im Ausland lebenden Deutschen, einer Behörde usw.) zum Thema Ausländerfeindlichkeit vornehmen. Man kann die KTN aktuelle Informationen in der Presse zum Thema suchen lassen http://paperball.de und Beiträge in aktuellen Internetforen zum Thema lesen lassen z.B. http://forum.kraftstrom.at/rassismus
Grafik zur Cognitive Flexibility-Theorie
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